Rückblick auf die Herbsttagung der ÖG-KJLF

Ein Bericht von Peter Immanuel Eich (Studien Assistent von Dariya Manova)

 

Unter dem Titel „Brav sein ist schwer! Grenzüberschreitungen im Leben und Werk Marlen Haushofers“ bringt die Herbsttagung der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendliteraturforschung vom 21. bis 22. November 2024 literaturwissenschaftliche Beiträge aus u.a. der Biografieforschung, der Queer-Narratology, dem Ecocriticism und der Medientheorie zusammen, die sich mit der Literatur von Marlen Haushofer auseinandersetzen. Zwischen den Vorträgen ergibt sich ein dichtes Netz aus Beziehungen, die das Leben mit dem Werk, die Kinder- und Jugendliteratur mit der Allgemeinliteratur und nicht zuletzt Marlen Haushofer mit der Gegenwart verbinden. 

Für den Vorstand der Gesellschaft eröffnen Dariya Manova und Stefan Krammer (Wien) die diesjährige Herbsttagung der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendliteraturforschung. Manova weist auf die bei Claasen (Ullstein) erschienene erste Werkausgabe hin (Nov. 2023), in der das kinder- und jugendliterarische Werk nicht mit herausgegeben wurde. Darin setze sich die Verengung der Rezeption auf die Allgemeinliteratur fort. Die wertende, marginalisierende Differenz zwischen Allgemeinliteratur und KJL habe Haushofer selbst aufrechterhalten, indem sie in ihren Briefen die Leichtigkeit des Schreibprozesses in ein reziprokes Verhältnis zur ästhetischen und existenziellen Befriedigung stellte. Ausgehend von dieser in Biografie und Verlagswesen bestehenden Trennung gehe es der Tagung nun um ein produktives Zusammenlesen der Kinder- und Jugendliteratur und der Allgemeinliteratur Haushofers. Krammer knüpft mit dem Begriff der topografischen Border Studies an. Darin würden Grenzen als ein sozial und historisch gewachsenes Ordnungsprinzip untersucht. Eine interdisziplinäre Übertragung ermögliche den Blick auf literarische Formate der Grenzüberschreitung. Ausgehend von Haushofers Werk ergebe sich ein besseres Verständnis von Grenzziehungen als Prozessen kontinuierlicher Neuaushandlung. Die Beiträge der Tagung würden sich entsprechend mit verschiedenen Dimensionen der Grenzüberschreitung im Werk Haushofers befassen: zwischen Schreiben und Leben, Populärkultur und Kanon, Mensch und Tier, Generationen, Geschlechtern und schließlich dem individuellen Freiheitsstreben und einem sozialen Normapparat. 

Den Auftakt zur Tagung gibt Daniela Strigl (Wien). Die Haushofer-Biografin (Strigl, 2007) behandelt in ihrem Vortrag Motivkonstanten im Œuvre Marlen Haushofers an der Grenze von fiktionalem und autobiografischem Schreiben. Das enge Verhältnis zwischen Biografie und Literatur Haushofers erläutert Strigl an Die Vergissmeinnichtquelle (1956) und Für eine vergessene Zwillingsschwester. Nachruf zu Lebzeiten (1969) als gespiegelten Selbstporträts der Autorin. Der Roman Himmel, der nirgendwo endet (1966), von der Autorin selbst als ein im Kern autobiografischer Text bezeichnet, befasse sich schließlich in zentraler Weise mit dem Problemkreis des Sich-Erinnerns. Ausgehend von solchen biografischen Elementen im allgemeinliterarischen Werk ließen sich dann Fiktionalisierungsstrategien und Überblendungsverfahren in den kinder- und jugendliterarischen Texten der Autorin detaillierter beschreiben. Umgekehrt bilde das kinder- und jugendliterarische Schreiben also einen integrierenden Bestandteil des Gesamtwerks der Autorin. 

Einen von den Age-Studies informierten Blick auf die Konstruktion des Alters der kindlichen Hauptfiguren bei Haushofer nehmen Heidi Lexe und Kathrin Wexberg (Wien) in ihrem Vortrag ein. Die Referentinnen setzen sich mit dem 1972 posthum veröffentlichten Märchen Das Nixenkind, dem Kindheitsroman Himmel, der nirgendwo endet sowie dem Kinderroman Brav sein ist schwer! (1965) auseinander. In Das Nixenkind sei der Entwicklungsmotor der Hauptfigur nicht die Kategorie Zeit, sondern ein mit Raumsemantiken verzahntes Mutter-Tochter-Verhältnis. Diese Darstellungsweise eines relationalen ‚Doing Age‘ (Benner & Ulmann, 2019) finde sich auch in Himmel, der nirgendwo endet und Brav sein ist schwer! wieder. In Figurationen des ‚experience age‘ (Benner & Ulmann, 2019) werde die Produktion von Alter als kulturelle Praxis reflektiert. Sowohl in dem von der Einbildungskraft der kindlichen Protagonisten erfassten Raum sowie über die kindliche Rezeption mündlicher Erzählungen und der anschließenden Lesesozialisation werde Alter als normative Wiederholungspraxis transparent. Quer hierzu verlaufen realhistorische Debatten um ‚Schmutz- und Schundliteratur‘ im Österreich der 1950er und 1960er Jahre sowie die innerdiegetische Reflexion von über das Erzählen vermittelten Geschlechter- und Rollenbildern.

Szilvia Gellai (Wien) befasst sich mit Grenzüberschreitungen von Populärkultur und Kanon. Sie untersucht Übertragungswege des Glaskuppelmotivs von Science-Fiction-Magazinen der 50er und 60er Jahre in Haushofers Roman Die Wand (1963). Haushofers Rezeption von Science-Fiction lasse sich nicht nur biografisch belegen. Darüber hinaus sei eine produktive Umschreibung konkreter Vorbilder nachverfolgbar. Einen solchen Prätext zu Die Wand erkennt Gellai in Fred MacIsaacs Am Anfang war nur Chaos (1955) (OV: The Hothouse World). Mit Aby Warburgs Modell der Bilderfahrzeuge analysiert die Referentin Haushofers Rezeption als eine produktive Überschreibung der Science-Fiction-Topologie. Anders als die Mensch-Natur-Hierarchie unter den architektonischen Glaskuppeln der SF erzeuge die Einsperrung in Die Wand eine Dynamisierung der anthropologischen Differenz und einen Gegenentwurf zum Phallozentrismus der Science-Fiction-Magazinkultur der 50er und 60er Jahre. 

Dieter Merlin (Klagenfurt) präsentiert eine inter- und transmediale Analyse der Literaturverfilmungen Die Wand (2012) und Wir töten Stella (2017). Zentrale Analysewerkzeuge Merlins sind das Konzept filmischer Empathie bei Wulff (2003) sowie das ‚Continuity Editing‘ (Brinckmann, 2011) als filmische Erzähltechniken. Mit im Fokus steht der didaktische Aspekt der Filmanalyse im Unterrichts- und Lehrkontext. Anhand des speziesübergreifenden Verhältnisses zwischen der Protagonistin und dem Hund Luchs in Die Wandbeschreibt Merlin das filmische Verfahren der Empathiesteuerung durch Sequenzierung. Im intermedialen Vergleich stellt er der ersten Begegnung von Hund und Mensch mit der unsichtbaren Wand in Die Wand die sichtbaren, aber auch als Metapher fungierenden Wände und Gitter in der Verfilmung von Wir töten Stella gegenüber. 

Den Abschluss des ersten Tages der ÖG-KJL Herbsttagung macht Sarah Maaß (Köln) mit einem Vortrag zu Differenzierungsmöglichkeiten von kindheits- und kinderliterarischem Erzählen bei Marlen Haushofer. Maaß untersucht inszenierte Kindheit im Roman Himmel, der nirgendwo endet und im Kinderroman Brav sein ist schwer!. Gehe es in Himmel, der nirgendwo endetals Kindheitsliteratur (Seibert, 2008) um literarische Zugriffsversuche auf den fremden Weltbezug des Kindes, so würden in Brav sein ist schwer! Enkulturationsprozesse in der Übernahme von Normen und Werten der Erwachsenenwelt durch Kinder thematisiert. Als eine ‚Vorzeitlichkeit des Subjektes‘ beschreibt Maaß die Darstellung kindlicher Erfahrung in Himmel, der nirgendwo endet mit Haraways Konzept der ‚natureculture‘ (Haraway, 2003) und den Modellen von Affekt und Affizierung bei Gilles Deleuze. An die fließenden Übergänge von natürlichem und kulturellem Raum in der ‚vitalistischen Existenz‘ der Protagonistin lasse sich mit Haraway eine ökokritische Perspektive anschließen. Dem stehe der Körper als Medium der Perspektive in Brav sein ist schwer! gegenüber. Das Kind-Ich ist hier im Austausch mit dem stabilisierten Eltern-Ich und Erwachsenen-Ich (Berne, 1961). Einer kindheitsliterarischen Poetologie des alteritären Weltbezugs in Himmel, der nirgendwo endet stehe der zeit- und diskursgeschichtlich enger gebundene didaktische und pädagogische Zugriff auf das Kind in Brav sein ist schwer! gegenüber.

Am Morgen des zweiten Tages beginnt Franziska Przechatzky (Wien) mit einem Vortrag zum Coming-Out-Narrativ in Haushofers erstem Roman Eine Handvoll Leben (1955). Der Vortrag knüpft an Überlegungen aus ihrem Dissertationsprojekt zu Konfigurationen weiblicher Homosexualität in der Literatur der 1950er und 1960er Jahren an. In Eine Handvoll Leben unterlaufe ein ‚Brüchiges-Inneres Coming-Out‘ der Protagonistin das konventionelle Konzept der ‚Coming-Out Story‘ nach Gutenberg (2010). In einer aus Rückblenden zusammengesetzten Erzählung werde Queerness als stetig neu produzierte Performanz bei Haushofer lesbar. Przechatzky erläutert davon ausgehend das Erzählverfahren eines kontinuierlich erfolgenden Coming-Outs der Protagonistin, in dem homo- und heterosexuelles Begehren auf Figurenebene durch ein widerstrebendes Freiheitsbegehren uneindeutig gehalten werde.

Denise Reimann (Berlin) setzt sich in ihrem Vortrag mit der Frage nach Sorge- und Fürsorgeverhältnissen zwischen Mensch und Katze in Haushofers Romanen Die Wand und Bartls Abenteuer (1964) auseinander. Im Sinne des Aufrufs „Make Kin Not Babies!“ (Haraway, 2016) antizipieren Haushofers Romane nach Reimann eine Ethik speziesübergreifender Fürsorge. In Die Wand verkehre sich die Sorge der Protagonistin um die Katze in ein Sorgeverhältnis der Katze für den Menschen. Von einer Projektionsfigur avanciere die Katze zu einer Gefährtin mit geteiltem Erfahrungshorizont. Dem misogynen Topos der ‚Cat-Lady‘ stelle der Roman ein reziprokes Verhältnis zwischen den Arten entgegen. In Anknüpfung an die Tradition der Autozoografie löse die Fokalisierung der Weltsicht des Katers Bartl in Bartls Abenteuer dann die Möglichkeit einer Mensch-Katzen-Symbiose perspektivisch ein.

An die Fokussierung des Mensch-Katzen-Verhältnisses in Haushofers Bartls Abenteuer schließt Andreas Hudelist (Graz) mit einer Post-Anthropozentrismus-Lektüre des Romans an. Die Überlegungen sind in Zusammenarbeit mit Nicola Mitterer (Klagenfurt) entstanden, die leider nicht vor Ort sein kann. Eine post-anthropozentrische Schreibweise Haushofers möchte Hudelist abschließend von der multidirektionalen Denkfigur des Rhizoms bei Deleuze & Guattari (1992) und Haraways ‚Chthuluzän‘ (2016) aus einfangen. Formal und inhaltlich lasse sich verfolgen, wie der Mensch in Bartls Abenteuer zu einer Randfigur werde, während die Katze Bartl als verknotete Figur mit ihrer Umwelt verbunden erscheine. Haushofer greife damit auf das Theoriegebäude des Post-Anthropozentrismus vor und deute eine literarische Neuzentrierung von Erfahrung als ‚tentakuläres‘ (Haraway, 2016) oder affektisches In-Beziehung-Sein mit der Welt an.

 

Konferenzübersicht

Stefan Krammer, Dariya Manova (Wien): Begrüßung 
Daniela Strigl (Wien): „Nie will ich grüne Westen stricken“. Autobiographische Fährten in Haushofers Kinder- und Kindheitsliteratur 
Heidi Lexe/Kathrin Wexberg (Wien): „Ausgeschlossen und allein.“ Räume der (verlorenen) Kindheit im Werk von Marlen Haushofer 
Szilvia Gellai (Wien): Reise hinter Die Wand. Bilderfahrzeuge der Science Fiction 
Dieter Merlin (Klagenfurt): Annäherungen an das Unaussprechliche. Die Haushofer-Verfilmungen Die Wand und Wir töten Stella 
Sarah Maaß (Köln): Unsichtbare Wände. Kindheit und natureculture im kindheits- und kinderliterarischen Erzählen von Marlen Haushofer 
Franziska Przechatzky (Wien): „Anziehend und abstoßend zugleich“ – Kindheit, Devianz und Coming-out in Marlen Haushofers Eine Handvoll Leben 
Denise Reimann (Berlin): Kinder, Katzen, Klima. Grenzüberschreitende Sorgeverhältnisse bei Marlen Haushofer 
Andreas Hudelist (Graz), Nicola Mitterer (Klagenfurt): Post-Anthropozentrismus avant la lettre? Erzählerische Grenzgänge zwischen Mensch und Tier in Marlen Haushofers Romanen für Kinder 
 

Literatur

  • Benner, Julia & Ullmann, Anika (2019): Doing Age. Von der Relevanz der Age Studies für die Kinder- und Jugendliteraturforschung. In: Jahrbuch der Gesellschaft für Kinder- und Jugendliteraturforschung 2019, S. 145-159.
  • Brinckmann, Christine N. (2011): Die poetische Verkettung der Bilder. In: montage AV. Zeitschrift für Theorie und Geschichte audiovisueller Kommunikation, 20 (2011/1), S. 29–4.
  • Berne, Eric (1961): Transactional Analysis in Psychotherapy: A Systematic Individual and Social Psychiatry. New York: Grove Press.
  • Deleuze, Gilles & Guattari, Félix (1992): Tausend Plateaus. Kapitalismus und Schizophrenie. Übers. v. Gabriele Ricke u. Ronald Vouillé. Berlin: Merve.
  • Gutenberg, Andrea (2010): Coming-out Story. In: Routledge Encyclopedia of Narrative Theory. London: Routledge.
  • Haraway, Donna J. (2003): The Companion Species Manifesto. Dogs, People, and Significant Otherness. Chicago: Prickly Paradigm.
  • Haraway, Donna J. (2016): Staying with the Trouble. Making Kin in the Chthulucene. Durham: Duke University Press.
  • Seibert, Ernst (2008): Themen, Stoffe und Motive in der Literatur für Kinder und Jugendliche. Wien: Facultas.
  • Strigl, Daniela (2007): „Wahrscheinlich bin ich verrückt ...“. Marlen Haushofer – die Biographie. Berlin: List.
  • Wulff, Hans Jürgen (2003): Empathie als Dimension des Filmverstehens. Ein Thesenpapier. In: montage AV. Zeitschrift für Theorie und Geschichte audiovisueller Kommunikation 12 (2003/1), S. 136-161.

 

 

 

Tagungseröffnung durch Dariya Manova und Stefan Krammer (v.l.n.r.)

Publikum

Daniela Strigl und Stefan Krammer (v.l.n.r.)

Heidi Lexe und Kathrin Wexberg (v.l.n.r.)

Szilvia Gellai

Andreas Hudelist


Tagung: Spielräume der Fantasie

Kinder- und Familienoper: Eine Bestandsaufnahme

Termin: 11. bis 13. Dezember 2024
Ort: Theater an der Wien, Linke Wienzeile 6, A-1060 Wien

„Gut gemachtes Kindertheater ist immer auch Elterntheater und die Erwachsenenoper ist meines Erachtens kinder- und jugendtauglich. Es ist das Ernstnehmen des Publikums und die Forderung an seine Rezeptionsfähigkeit das Kriterium und nicht das Bedienen latent eingeforderter Klischees.“

Gerhard Schedl benannte mit seinem Anspruch an die Kinderoper ein prinzipielles Merkmal, das sich generell als konstitutiv für Kinderliteratur und ebenfalls als ein Charakteristikum der Kinderoper erweist: die Doppeladressierung. 

20 Jahre danach wird diese Kunstform einer Standortbestimmung unterzogen. Aus multidisziplinärer Perspektive befragen Wissenschaftler*innen wie Praktiker*innen Entwicklungen, Produktionen, an der Gegenwart orientierte Formate für die große Bühne und kleine Erzählformen in ihrer ästhetischen Vielfalt.

Weitere Informationen finden Sie hier.

Programm

(Quell: Aussendung)


Tagung: "und wovon träumst du?

Traumpfade durch die Kinder- und Jugendliteratur

Termin: 07. bis 09. März 2025 
Ort: DIE WOLFSBURG, Falkenweg 6, D-45478 Mülheim an der Ruhr

Träume haben Menschen schon immer beschäftigt. Ob es nun die nächtlichen Träume, Tagträume, Wunschträume oder auch Lebensträume sind – Träume faszinieren, machen nachdenklich, wecken Hoffnungen oder auch Ängste. Auch Kindern und Jugendlichen sind diese Erfahrungen nicht fremd. In ihren Träumen reisen sie in fremde Welten, kämpfen mit Phantasiewesen, erfahren übermenschliche Kräfte und verarbeiten dadurch Erlebnisse ihres Alltags. Vor diesem Hintergrund spielen Träume auch in der Kinder- und Jugendliteratur eine wichtige Rolle.

Doch welche Bedeutung haben die Traumerzählungen für Kinder und Jugendliche? Was bewirken sie und welche existenziellen Prozesse des Nachdenkens und Reflektierens werden durch sie initiiert? Die SPURENSUCHE will diesen Fragen nachgehen und im wahrsten Sinne des Wortes Traumpfade in der Kinder- und Jugendliteratur entdecken.

Informationen zur Tagung, dem Tagungsbeitrag und den Anmeldemodalitäten finden Sie hier.
Tagungsprogramm

Spurensuche-Tagung in Kooperation von Medienforum Bistum Essen, Katholische Akademie Die Wolfsburg, Borromäusverein e.V., Jugendstil und STUBE

 

 

(Quelle: Homepage STUBE und Borromäusverein)


Tagung: Weltrettungen

Kinder- und Jugendliteratur zwischen gesellschaftlichem Engagement und ästhetischem Spiel

Termin: 10. bis 12. April 2025
Ort: IJB, München

Die in Kinder- und Jugendliteratur (KJL) dargestellten (Lebens)Welten sind oftmals ein literarisches kaleidoskopartiges Abbild unserer von Krisen, Kriegen und gesellschaftlichen Umbrüchen geprägten Zeit. Die vom Klimawandel bedrohte Natur, multipel bedingte Fluchterfahrungen, Antisemitismus, Rassismus und vielfältige weitere politische, inner- und zwischenmenschliche Konfliktsituationen werden in kinder- und jugendliterarischen Texten und Medien sowie in deren diskursiv-bedingter Rezeption nicht nur dargestellt, sondern auch potenzielle Lösungen diskutiert.

Das Erkenntnisinteresse der Tagung widmet sich mit Hilfe der Stichwörter Weltrettung und Weltverbesserung dem Spannungsfeld der Kinder- und Jugendliteratur – zwischen Didaktik, Wissensvermittlung und ästhetischem Spiel – und möchte ausloten, wie aktuelle und historische Texte dazu beitragen, den Status quo zu hinterfragen und eine Verbesserung und positive Veränderung der Welt und der Gesellschaft beziehungsweise des Menschen anzustoßen (Rettung).

Die Tagung möchte folglich die Bestrebungen von Kinder- und Jugendliteratur…

…Retter*innen der Welt zu bilden bzw. Heranwachsende zur Weltrettung zu befähigen, 

…selbst (als Medium) Welt zu verbessern und positiv zu verändern,

überprüfen. In der Untersuchung der Funktionsweisen und Darstellungen dieser literarischen Weltverbesserungen und Weltrettungen gilt es hierbei auch immer wieder die Frage nach dem Oszillieren der KJL zwischen erzieherischem Auftrag, der intendierten individuellen und gesellschaftlichen Textwirkung, den damit einhergehenden Sichtweisen auf Kindheit und dem subversiven ästhetischen Spiel als Gegenpol aufzuwerfen. Bedeutend sind hier nicht nur die impliziten differenten Kindheitsentwürfe, sondern auch mögliche ‚eskapistische Lektüren‘. Vor dem Hintergrund der aktuellen weltpolitischen Entwicklungen lässt sich darüber hinaus die Frage stellen, inwiefern gegebenenfalls eine Neupositionierung der KJL notwendig oder bereits im Gange ist: Muss der kulturrevolutionäre Wunsch nach einer krieg- und konfliktlosen Welt einer neuen Realität weichen? Gilt es nunmehr zu diskutieren, wie von Krieg und Frieden beziehungsweise von Freund und Feind erzählt werden kann? Mit welchen Herausforderungen sehen sich rezente Weltrettungsnarrative konfrontiert?

Ferner gilt es zu untersuchen, welche Formen (Gattungen, Motive, Figuren, Genres etc.) und literarischen Mittel (einfache Sprache, spielerisches Lernen, fantastische und utopische Elemente, Verfahren der Identifikationssteigerung und Subversion etc.) eingesetzt werden. Aus unterschiedlichen literaturwissenschaftlichen, literaturhistorischen und interdisziplinären Blickwinkeln möchten wir uns den facettenreichen literarischen Weltrettungen und -verbesserungen annähern und diskutieren, welche Chancen, Möglichkeiten und Fallstricke das kinder- und jugendliterarische Spannungsfeld bietet: Inwiefern im literarischen Möglichkeitsspielraum Lösungen probiert und narrativ vermittelt werden können und inwieweit der Inszenierung von KJL als Medium zur Verbesserung (Bildung, Erziehung, Sozialisation) auch die Gefahr einer Instrumentalisierung und Manipulation inhärent ist, die konträr zu neuen Bestimmungen von Kindheit und Kindheitsbildern steht.

Organisation: Dr. Theresia Dingelmaier (Professur für Neuere deutsche Literaturwissenschaft | Universität Augsburg) und Lisa Rettinger (Professur für Neuere deutsche Literaturwissenschaft mit dem Schwerpunkt Ethik | Universität Augsburg)

Die Tagung findet in Kooperation mit der Internationalen Jugendbibliothek in den Räumlichkeiten des Blutenburg-Schlosses in München statt. Ergänzt wird das wissenschaftliche Programm durch eine Lesung und ein Gespräch mit der Autorin Stepha Quitterer

Weitere Informationen finden Sie hier.

 

(Quelle: kinderundjugendmedien.de)


Tagung: Von Neubau zu Plattenbau

Repräsentationen des seriellen Bauens bis Anfang der 1990er Jahre

Termin: 14. bis 16. Mai 2025
Ort: Södertörn Universität/ Stockholm/Schweden

Wie sieht das Wohnen in der Zukunft aus? Können Literatur, Film und Kunst aus der Vergangenheit etwas über Zukunftsmodelle erzählen? Serielle Bauten, Neubauten, Plattenbauten – dies sind nur einige Begriffe, die bauliche Phänomene bezeichnen und Menschen in der Vergangenheit und Zukunft betreffen. Dabei dürfte der Blick insbesondere auf die sog. serielle Bauten interessant sein, die in der DDR als Errungenschaften der Moderne galten und im Westen oft zu Plattenbauen und sozialen Brennpunkten degradiert wurden. Serielle Bauten können aus ökologischer und ökonomischer Sicht ein Wohnen der Zukunft sein aufgrund der Dichte des Wohnens, aber auch aufgrund der Möglichkeit mit Blick auf eine alternde Gesellschaft. Sie bedeuteten auch in der Vergangenheit ein modernes Wohnen – etwa in den Ostseeländern. Einerseits ging es um eine politisch ideologische Ausrichtung, andererseits musste preiswerter Wohnraum für eine wachsende Bevölkerung zur Verfügung gestellt werden.

Dem seriellen Bauen und Wohnen sind viele Zuschreibungen zu eigen gemacht worden. Diese Zuschreibungen sollen durch die Tagung offengelegt werden. Auf der Konferenz sind historische, soziologische, politikwissenschaftliche, baugeschichtliche, literaturwissenschaftliche und kulturphilosophische Beiträge willkommen, die sich mit dem Plattenbau in Ost und West auseinandersetzen. 

In einer Themenausgabe der Zeitschrift Baltic Worlds, die in Zusammenarbeit mit der Zeitschrift herausgegeben wird, können einzelne Artikel der Konferenz veröffentlicht werden. Baltic Worlds ist eine wissenschaftliche, interdisziplinäre Zeitschrift (indexiert in Scopus und Sherpa ROMEO usw.), die vom Zentrum für baltische und osteuropäische Studien der Universität Södertörn herausgegeben wird. Die Zeitschrift ist in gedruckter Form und als Open Access im Internet erhältlich: Baltic Worlds Back Issues. Informationen zur Einreichung und zu den Richtlinien finden Sie unter: Baltic Worlds Einreichung. Die Sprache der Konferenz ist Englisch, die Publikation erscheint ebenfalls in Englisch.

Die Veranstalterinnen bemühen sich um Drittmittel, um Reisekosten zu erstatten.

Die Tagung wird organisiert von: Dr. Astrid Henning-Mohr (Universität Halle, Deutschland), Dr. Lisa Källström (Universität Södertörn, Schweden), PD Dr. Corina Löwe (Linné- Universität, Schweden), Dr. Jana Mikota (Universität Siegen, Deutschland) und PD Dr. Ines Soldwisch (Universität Düsseldorf, Deutschland).

 

Nähere Informationen zur Tagung werden hier zeitnah bekanntgegeben.

 

(Quelle: Aussendung)