kjl&m 22.4

07.11.2022

Subjektivität und Formalismus. Briefe in Kinder- und Jugendmedien

Im Kontext digitaler Kommunikation wirkt der alte Postbrief fast schon anachronistisch. Dennoch erfreut sich diese Textform sowohl in der KJL als auch im Deutschunterricht ungebrochener Beliebtheit und gerade in seiner papiernen Form auch einer gewissen Hochachtung. In der Literatur verspricht der Brief als subjektives Erzählverfahren Unmittelbarkeit. Agieren Protagonist*innen in Briefen und sind diese den Lesenden zugänglich, fingiert das gleichzeitig Nähe und Authentizität, die die Fiktionalität des Geschriebenen mitunter sogar in den Hintergrund treten lässt. Das erzeugt fokussierte Sogmomente, in denen die Dichte der Lektüre spürbar zunimmt.

Faszinierend ist das auch deshalb, weil die Briefform - speziell beim Papierbrief - auch heute noch ein hohes Maß an formaler Konventionalität aufweist. Begrüßungsformeln, Verabschiedungsfloskeln und auch der Aufbau der Briefe sind stark editorialkulturell vorgeprägt und wandeln sich nur langsam. Das Briefeschreiben muss also auch immer noch erlernt werden, so man es denn praktizieren möchte.
Natürlich finden auch neue Formen der schriftlichen Distanzkommunikation Eingang in die KJL. So gibt es mittlerweile selbstverständlich auch E-Mail-Romane und auch andere Formen der modernen Kommunikation werden in Texten verarbeitet. Dennoch bleibt der Postbrief wichtig und präsent - und scheint dabei keinesfalls aus der Zeit gefallen zu sein.
Umso mehr verwundert es, dass dem Brief und seiner Verarbeitung in der KJL bislang kaum wissenschaftliche Aufmerksamkeit zuteil geworden ist. So bezeichnet Gabriele von Glasenapp in ihrem systematisch-diachronen Basisartikel zu diesem Heft das Medium Brief in der KJL-Forschung als eine terra inkognita und kritisiert, dass das kulturwissenschaftliche wie auch didaktische Potenzial dieses kulturellen Artefakts bislang kaum ausgelotet wurde. Umso wichtiger, dem Brief in seinen alten und neuen Formen ein Themenheft zu widmen.
(Aus dem Editorial von Michael Ritter)

Das Heft kann über den kopaed Verlag erworben werden.

 

(Quelle: kopaed Verlag)

Bildquelle: kopaed Verlag